Private Vorsorge: Was läuft falsch?

09.02.2016

Gastkommentar aus der NZZ von Reto Spring

Generation 50minus

Die Generation 50minus (Fotolia)

Künftig wird in unserer Gesellschaft mehr Eigenverantwortung nötig sein, gerade im Hinblick auf Wohlstandssicherung und finanzielle Freiheit.

Der „Garten Eden“ geht auf das Sumerische zurück und bezeichnet den „Rand der himmlischen Steppe“: Dürre zwang die Menschen zu Vorratshaltung und Planung ihrer Lebensgrundlagen. Nach abendländischer Vorstellung übertragen sich keine Sünden von Mensch zu Mensch. Die Vertreibung aus dem Rentner-Paradies wird allerdings für nachfolgende Generationen sehr wohl gravierende Folgen zeitigen.

Begleiten wir einen Babyboomer, der zwischen 2020 und 2029 in Rente geht: Es gibt dann doppelt so viele Neurentner wie heute – unser Rentner ist somit in guter Gesellschaft. Er ist fit, finanziell unabhängig und erlebt im Jahr 2040 eine Schweiz mit 10 Millionen Einwohnern: 3 Millionen Rentner, 5 Millionen Erwerbstätige und 2 Millionen Junge (Referenzszenario BfS Juni 2015).

Die Lebenserwartung nimmt weiter zu

Wir gewinnen jährlich sechs Wochen Lebenszeit hinzu – im Jahr 2040 liegt die Lebenserwartung daher schon bei über 100 Jahren. Das verdanken wir dem medizinischen Fortschritt, mehr Bewegung und gesünderer Ernährung. Die „Rentner im Paradies“ gehen fröhlich ihrem 100. Geburtstag entgegen, der Rest hat aber bereits das karge Leben in der trockenen Steppe vor Augen: bis 70 arbeiten, mehr sparen und weniger erhalten.

Sie wähnen sich im falschen Film? Dann sollten wir besser aufwachen: Die Reform unserer Altersvorsorge findet zwar viel mediale Beachtung, aber was sind die persönlichen Konsequenzen? Die Betroffenheit ist sehr unterschiedlich: Die Generation 50plus ist wirtschaftlich potent und als Mehrheit tonangebend. In Bern zählt die politische Machbarkeit und weniger die ökonomische Vernunft. Somit scheint alles auf eine Perpetuierung des Status quo hinauszulaufen.

Die Generation 50minus

In der „Verlierer-Ecke“ stehen die Menschen unter 50 Jahren, nennen wir sie die „Generation 50minus“. Für die nach 1965 Geborenen wird das Wort „Rentenklau“ einmal eine ganz reale Bedeutung bekommen, wenn sie die Konsequenzen des aufgekündigten Generationenvertrages realisieren. Sie darf für die geburtenstarke Vorgängergeneration die Schulden ausbaden.

Heute fehlt das Geld nicht bei den Golden Agers – diese werden nämlich in zwei von drei Fällen auch noch als Erben begünstigt. In der Praxis sieht man vielmehr die jungen Mittelstandsfamilien der Generation 50minus, welche die grösste Last tragen und über keine politische Lobby verfügen. Was läuft falsch? Was werden Sie tun, wenn Sie dereinst Ihr Vermögen überleben?

Einnahmen steigern, Ausgaben senken oder Rentenalter erhöhen?

Im Prinzip gibt es nur drei Möglichkeiten: Einnahmen steigern, Ausgaben senken oder Rentenalter erhöhen. Die erste belastet die Erwerbstätigen, die zweite die Rentner, die dritte bleibt neutral, da sie Mehreinnahmen schafft (man zahlt länger ein) und gleichzeitig Ausgaben reduziert (man bezieht später Renten). So liesse sich die Generationengerechtigkeit wiederherstellen. Die Anpassungs-Mechanismen gehören automatisiert, denn massgeblich sind Lebenserwartung und Finanzmärkte und nicht die Kristallkugel unseres Bundesrates.

Zu viele Menschen leben nach dem Motto „Aus der Taufe gehoben, zur Schule gebracht, zum Altar gezerrt, zu Grabe getragen“. Künftig wird mehr Eigenverantwortung nötig sein, gerade im Hinblick auf Wohlstandssicherung und finanzielle Freiheit. Eltern können das Geldverständnis bei ihren Kindern spielerisch wecken und ihnen schon eine vierte Säule äufnen. Hilfreich wäre ein Schulfach „financial literacy“.

Private Vorsorge und ein Sparplan werden Pflicht für junge Menschen. Sparen heisst Konsumverzicht.

Geld ist nicht wichtig? Jeder Einwohner hierzulande spielt jährlich für 350 Franken Lotto, weil er für seine Träume Geld benötigt. Noch besser als Träume sind Ziele, denn so ergibt eine Finanzplanung auch Sinn. „Keine Schulden!“, diese Empfehlung gilt auch für eine glaubwürdige Reform unserer Altersvorsorge. Nichts verschafft dem Menschen mehr Freiheit als sein Vermögen im doppelten Sinn: das, was er hat, und das, was er ist und kann, also Haben und Sein.

Reto Spring ist Präsident Finanzplaner Verband Schweiz.